Der Ermöglichungsraum
Der Ermöglichungsraum
Stell dir für einen Moment eine Situation vor, die du als Konflikt wahrgenommen hast. Du und die anderen Menschen, die in dieser Situation involviert waren, bilden einen imaginären Raum, in dem alle Beteiligten diese Situation miteinander gestalten.
Diesen Raum nennen wir den Ermöglichungsraum. In diesem Raum interagierst du mit den anderen Teilnehmern der Situation und du leistest deinen Beitrag, um diese Situation weiter zu entwickeln. Wir machen das, was für uns möglich ist.
Der Ermöglichungsraum, in dem wir uns bewegen, kann sich erweitern, wenn wir uns selber und uns gemeinsam entwickeln. So erweitert sich auch die Optionenvielfalt zur Gestaltung von Situationen.

Mögliche Entwicklungs Förderer für die Erweiterung des Ermöglichungsraums
Gemeinsames Gestalten kann unseren Ermöglichungsraum erweitern, wenn wir uns gegenseitig unsere Räume öffnen. Durch die Besprech- und Wahrnehmbarkeit unseres eigenen Raumes, können wir diesen öffnen und anderen zugänglich machen. Wenn mehrere Menschen dazu bereit sind, entsteht ein Wechselspiel zwischen den Menschen, mit denen wir gemeinsam unterwegs sind.
Der eigene Raum geht daher weit über die fachliche- / sachliche Ebene heraus. Das Gestalten von Situationen findet in unserer Wahrnehmung auf 3 Ebenen statt:

Der gemeinsame Austausch über fachliche Themen, kann uns gegenseitig inspirieren und unsere Kompetenz und unser Verständnis in einem Thema vertiefen und uns so den Ermöglichungsraum in fachlicher Hinsicht erweitern.
Um Situationen gestalten zu können, muss ein Verständnis der fachlichen Zusammenhänge vorhanden sein. Häufig werden bei schwierigen Situationen Beratungspersonen hinzugezogen, die auf der fachlichen Ebene über die notwendigen Kompetenzen verfügen.
Die Fachebene ist in unserer Grafik oben, in der Regel wird dort als erstes angesetzt: Mehr Fachwissen führt zu neuen Einsichten in einer Situation.
Wenn wir ein Verständnis für unsere eigenen Wahrnehmungen und unsere eigenen Muster entwickeln, können wir mit anderen Menschen anschlussfähiger umgehen.
Das bedeutet, dass wir durch eine differenziertere Wahrnehmung unserer eigenen Verhaltensmuster und deren Beweggründe, einen erweiterten Raum für gemeinsames Gestalten anbieten können. So wird möglich, dass wir Verständnis dafür entwickeln, ob unser Verhalten / unsere Impulse bei unserem Gegenüber anschlussfähig sind oder gar Unverständnis und Abwehr hervorrufen.
Den Eigenanteil erkennen
Um Situationen gestalten zu können, muss man den eigenen Anteil sehen wollen und bereit sein, sich zu hinterfragen. Dynamiken im System und sich als Teil davon wahrzunehmen, erweitern den Ermöglichungsraum.
Die eigenen «Impulse» bzw. «Nichtimpulse» in diesem System zu beobachten und zu verstehen und mit sich und den anderen Menschen in Beziehung zu bringen ist ein anspruchsvolles Entwicklungsfeld.
Erst wenn man den eigenen Anteil im Gesamtsystem versteht und wahrnimmt, kann man diesen auf die Situation verändern und erweitern. Experimentieren mit den eigenen Möglichkeiten in unterschiedlichen Situationen bringt erweiterte Einsichten und erweitert so unseren Ermöglichungsraum.
Wenn wir ein Verständnis für die Dynamiken zwischen den Menschen in unserem Netzwerk entwickeln, können wir differenzierter einschätzen, wie unsere eigenen (Handlungs-) Impulse sich in diesem Netzwerk auswirken. Die Dynamik wird geprägt durch Haltungen, Muster und unterschiedliche Motivationen der Menschen im Netzwerk.
Um Situationen gestalten zu können, müssen wir die Sachebene verlassen und die darunter liegenden Haltungen besprechen.
Perspektivenwechsel
Menschen verstehen die Welt durch ihre eigene Wahrnehmung. Die wird geprägt durch zahlreiche Faktoren, vor allem durch die Erfahrungen, die Menschen erlebt haben. Die Welt der anderen durch deren Augen zu «sehen» und zu verstehen, diese Möglichkeit bietet der Perspektivenwechsel.
Es geht dabei darum, die Impulse von anderen zu verstehen und wahrzunehmen. Man muss gleichzeitig bereit sein, die eigene Perspektive vielschichtig für andere zugänglich, erlebbar und wahrnehmbar zu machen.
Die Fähigkeit, die Perspektive anderer Menschen wahrzunehmen und wertzuschätzen, wird unserer eigenen Wahrnehmung der Situation viele neue Facetten hinzufügen und so unseren Ermöglichungsraum erweitern.
Optionengenerierendes Denken
Durch die Wahrnehmung von unterschiedlichen Perspektiven, Eigenanteilen und Zusammenhängen in Situationen generieren wir eine Vielzahl von Informationen und Wahrnehmungen. Wir nennen sie Einsichten.
Aus erweiterten Einsichten entstehen erweiterte Optionen, wie wir diese gestalten könnten. Es ist in einem komplexen System unmöglich, die einzig richtige Option zu finden.
Wir müssen also lernen, mit Optionen zu experimentieren und dabei immer besser verstehen lernen, wie diese Optionen auf die Dynamik im System wirken. Wir müssen den Mut haben, die Optionen zu erweitern und mit ihnen zu experimentieren.

Die Idee des optionengenerierenden Denkens löst sich von der Vorstellung, man könne Situationen vorausplanen und eindeutige Lösungen finden für Probleme. Damit findet es vor allem dann Anwendung, wenn die Komplexität so hoch wird, dass bislang bewährte Strategien nicht mehr greifen (mehr dazu in unseren Beitrag “der Optionenkreis”).
Die Entwicklungsförderer sind in unserem Verständnis die Faktoren, mit denen wir bei der Anwendung des Optionenkreises tiefere Einsichten und damit auch eine reichere Bandbreite an Optionen generieren.
Die Liste der Entwicklungsförderer ist nicht vollständig, sie gibt Impulse zur Richtung, die wir gefunden haben, um den Ermöglichungsraum zu erweitern.
Über weitere Impulse von dir freuen wir uns. Stell dir vor, wie wir in Kokreation miteinander gemeinsam unseren Ermöglichungsraum erweitern können.
Dezember 2024 Katja Stalder Kaiser und Andreas Illenberger
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